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Von Lissabon nach Santiago de Compostela
Tagebucheintrag 09. Juni 2007

Was für ein herrlicher Morgen! Kann es noch schöner werden?! Links und rechts sind mächtige Berge. So viel Natur! So viele Bäume! So viel Wald! So wunderbare Gerüche! So schöne Wege! Kleine Wege, die zu kleinen Siedlungen führen. Kleine Sandwege. Weicher Waldboden. Es geht hoch und runter, über Stock und Stein. Der Körper wird vielseitig in Anspruch genommen. Es macht Spaß! Der volle Körpereinsatz, die frische Luft und die herrlichen Düfte spornen mich an. Das Tempo wird immer schneller.

Ich frühstücke in dem einzigen Café meilenweit. Hinter der Theke sehe ich eine sehr alte Kommode. Die eine Schublade hängt schief. Sie ist gefüllt mit altem Kaffe aus der Kaffeemaschine. Die "Kaffeedame", die zugleich den winzigen Tante-Emma-Laden meistert, gibt mir ein Stück Brot mit einer dicken, dicken Scheibe Käse. Sitze draußen. Drinnen spricht ein Mann. Verstehe nur einzelne Wörter. Versuche sie im Kontext zusammenzusetzen. Jedes zweite Wort ist "Frau". Muss weitergehen. Der Weg wird immer steiler. Zu schnell habe ich diesen Berg überwunden, dann wird es wieder flacher. Schade, denn es machte so Spaß! Ich merkte richtig das Leben in mir. Es bleibt aber schön. Ab und zu halte ich an einem Brunnen an. Das Wasser schmeckt unterschiedlich. Mal nach Eisen, mal nach Erde und mal nach kristallklarem Quellwasser.

Komme gerade rechzeitig an einem Hof vorbei, wo einem Bauern ein Huhn entwischt ist. Zusammen, ich mit meinem Stock auf der einen Seite und er auf der anderen Seite, jagen wir das gackernde Huhn wieder rein. Mir fällt auf, dass die Frauen in dieser nördlichen Region ihre Kopftücher wieder ein bisschen anders tragen. Hinten sind sie länger. Der Knoten wird tiefer im Nacken gebunden und darüber hängt die lange Spitze.

Kurz nach Zwei bin ich schon in Valença. Die Pilgerherberge ist zu. Nebenan ist die Feuerwehr. Eine Feuerwehrhelferin ruft eine Nummer an. In einer Stunde wird jemand zur Herberge kommen, sagt sie mir. In der Zwischenzeit gehe ich etwas essen. Ein Mann, der stark nach Alkohol riecht, kommt, zeigt mir die wirklich luxuriöse Herberge, gibt mir den Schlüssel und geht. Ein ganzes Zwei-Etagen-Haus nur für mich!

Meine Beine sind schwarz vor Dreck. Ich dusche und gehe dann auf "Burgbesichtigung". Um in die Altstadt zu gelangen, muss man über einen tiefen Graben und durch ein großes Tor in der Festungsmauer. Ich nehme nicht den großen Eingang. Fast bereue ich es, denn nirgendwo scheint ein anderer Durchgang zu sein. Habe Glück. Eine kleine "Geheimöffnung", die mich durch einen Tunnel führt, bringt mich in die Altstadt. Mit einem bisschen Phantasie hätte man sich sehr gut vorstellen können, dass man in die Zeit zurückgereist ist und nun im geschäftigen Burgleben des Mittelalters steht. Die Festungsmauern, der Eingang in die Burg und die schmalen, labyrinthförmigen Gassen der Innenstadt, laden zu dieser Vorstellung ein.

Leider erschwerten die vielen modernen Touristen, die Autos und die Sanierungsarbeiten meinen kleinen inneren Film. Ich wundere mich, dass Autos nach Belieben rein dürfen. Außer Wohnhäusern, einem Altersheim, einem Hotel und einigen offiziellen Gebäuden, gibt es viele Kleider- und Teppichgeschäfte, Handarbeitsgeschäfte und eine Menge Cafés und Restaurants. In einem Antiquariat verkaufen sie viele farbenreiche, abstrakte Bilder von António Pessoa (Enkelsohn von Fernando Pessoa). Noch bin ich in Portugal, höre aber überwiegend Spanisch. Ich gehe in die verhältnismäßig große Kirche rein. Kurz danach kommen fünf wie Machos aussehende Jungen rein. Die dürften ca. 16 - 17 Jahre alt sein. Zu meiner Überraschung setzen sich vier auf die Bank. Der fünfte geht zielbewusst zur Kirchenorgel und zeigt eine unerwartet sensible Seite. Mit unglaublicher Intensität und Begabung, spielt er die Toccata und Fuge von Bach. Solche unerwarteten Erlebnisse gehören zu den schönsten!





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Portugal-Post Nr. 39 / 2007





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