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Von Lissabon nach Santiago de Compostela
Tagebucheintrag 08. Juni 2007

Heute ist mein glücklichster Pilgertag! Sie fing schön an und wurde immer schöner. Aus lauter Sorge, nicht frühzeitig genug aufzuwachen (habe kein Wecker bei mir), wachte ich um 04:30 Uhr auf. Mit gewohnten Griffen machte ich mich bereit zum Weiterlaufen. So früh dran wie heute war ich noch nie. Nicht unbedingt ein Vorteil, wenn man nach Pfeilen gucken muss!

Merke ein Unterschied seit Porto. Es gibt bessere Markierungen, mehr Brunnen, wo man seine Wasserflasche auffüllen kann und hin und wieder eine Info-Tafel über die Pilgerroute, Sehenswürdigkeiten und Besonderheiten der umgebenden Natur. Ich merke wie das Leben erwacht. In einem der Häuser klingelt ein Wecker (07:00 Uhr). Einige Autos fahren an mir vorbei, es entstehen mehr Geräusche. Unruhe steigt in mir hoch...ein Hund jault. Ach ... doch kein Hund. Es ist bloß die Schiebkarre, die ein Bauer vor sich her schiebt. In der Nähe muss ein Zuggleis sein. Ein Zug pfeift. Ich habe Gesellschaft. Hase, heißt mein kleiner Begleiter. Lange hüpft er mit seinem weißen "Pong-Pong-Hintern" vor mir her.

Zeit für mein Frühstück (ein galão und eine sandes). Erst gegen 10:30 Uhr komme ich an einem Café vorbei. Eine Gruppe von Männern, die anscheinend nicht arbeiten müssen, hat gerade ihren Kaffe ausgetrunken und bestaunt nun das giftgrüne, neue Motorrad, das draußen steht. Der stolze Besitzer zeigt was es kann und dröhnt im Killertempo die kleine Dorfstrasse rauf und runter.

500 Meter weiter ... Mein Stock! Habe ihn vergessen! Wieder zurück ... Ich liebe meinen Stock! Er liegt leicht in der Hand; hat sich als große Hilfe erwiesen, bei stacheligem Gestrüpp, Sturzgefahr oder beispielsweise Schuhe fischen (In Lissabon hatte eine Dame ihren Schuh verloren, als sie aus dem Zug stieg. Mit meinem Stock konnte ich ihn unter dem Zug wieder hervorholen). Anscheinend macht er auch Eindruck, trotz seiner schlanken Erscheinung; er bringt alle Hunde zu bellen und erntet respektvolle Kommentare.

Ein Bauer geht die Reihen seiner Weinstöcke durch. Treu hinter ihm her läuft nicht ein Hund, sondern eine Kuh. Auf den offenen Flächen gibt es kleinere Maisfelder oder Apfelbaumplantagen. Es ist sehr ländlich. Alles ist so friedlich. Die kleinen Wege sind abwechslungsreich. Der eine schöne Duft löst den anderen ab. Es riecht nach frischem Laub, getrocknetes Gras, Blumen, ...

Glücklich wandere ich durch diese idyllische Umgebung. Vor mir sehe ich plötzlich zwei Schlangen. Die eine ca. 1 Meter lang; die andere etwas kürzer. Sie liegen mitten auf der Straße und scheinen es sich in der wärmenden Sonne gut gehen zu lassen. Hinter mir höre ich Stimmen. Es sind Fahrradfahrer. Ich halte sie an. Sie sollen die Schlangen nicht überfahren. Nach einigem Bestaunen, "Husch-Husch" und Klopfen mit meinem Stock stellt sich heraus ... sie sind tot.

Mein Einzug in Ponte de Lima erfolgt dem Fluss Lima entlang. Die anfängliche Flusspromenade endet bei einer wunderschönen weißen Kirche aus dem 17. Jh. Von der Kirche bis ins Zentrum führt eine Allee, die des größten Königs würdig ist. Die riesigen Bäume auf beiden Seiten sind 104 Jahre alt. Schnell merkt man, dass Ponte de Lima eine Touristenattraktion ist.Verständlich. Es ist erstens aus historischer Sicht eine Sehenswürdigkeit; zweitens, eine sehr hübsche Stadt. Sehr, sehr idyllisch. Für viele Romantiker und verliebte Paare sicherlich ein Paradies. Irgendwie kommt mir dabei Der Tod in Venedig in den Sinn. Mich beeindruckt am meisten die Allee, die wunderschöne mittelalterliche Steinbrücke und eine große Statue von D. Teresa - "Mãe de reis e avó de Impérios".

Die Herberge ist voll. Es sind bestimmt die vielen Radfahrer die an mir vorbeifuhren. Im alten Festsaal der Feuerwehr kann ich auch nicht schlafen. Wegen der Brandgefahr ist das Haus voll. Beim Händewaschen spüre ich, wie weich das Wasser ist. Morgen gehe ich nach Valença (35 Km).





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Portugal-Post Nr. 39 / 2007





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