Von Lissabon nach Santiago de Compostela
Tagebucheintrag 13. Juni 2007
Ging heute zur 12Uhr-Messe. Kam etwas früher. Um mich herum sah ich viele bewegte, ernste aber vor allem glückliche Gesichter. Links und rechts hörte ich: "Ihr auch schon da! Du da! Toll! Ja! wir haben es geschafft!" Oft bedurften diese Aussagen keiner Sprache. Die Zeichen sind universell. Es wurde umarmt, geküsst, gewunken, Siegeszeichen gemacht, viel gelacht, geweint. Man versuchte trotz der Sprachschwierigkeiten miteinander zu kommunizieren. Es war so schön zu sehen, wie viele Menschen, verschiedene Nationalitäten, ganz unterschiedliche Typen unterwegs Freundschaften geschlossen hatten. Das friedliche und ehrliche Zusammentreffen von so vielen Repräsentanten dieser Welt bleibt für mich eines der bewegendsten Dinge überhaupt.
Mich verband sehr vieles mit all diesen Pilgern und sehe ich sie auf der Straße, fühle ich mich ihnen zugehörig. Man kennt sich nicht und dennoch sagt der Blick: wir haben etwas Gemeinsames. In diesem Augenblick aber fühlte ich mich wie ein ausgeschlossenes Kind. Ich konnte mit keinem mein Glück, die Erschöpfung oder die Erlebnisse teilen. Für mich gab es in der Kirche kein freudiges Wiedersehen. Ich war alleine angekommen. Andererseits habe ich gerade dadurch etwas ganz anderes erlebt. Es kann außerdem schön sein, ein großes Erlebnis nur für sich zu haben. Sein eigenes, stilles Geheimnis.
Am Anfang der Messe, segnete der Priester alle neu angekommenen Pilger. "Eine Dänin aus Lissabon" hieß es u. a. (an dem Tag die einzige aus Lissabon). Eine Nonne mit einer wundervollen Stimme, leitete den Gesang der Liturgie.
Zurück in der kleinen Pension Casa Felisa traf ich eine Dame. Es war keine Pilgerin im "normalen" Sinn. Dennoch ist sie eine. Sie ist Pilgerin auf dem Weg des Lebens (so wie wir alle, eigentlich). Wir verbrachten drei wunderbare Stunden zusammen. Eine kurze und unerwartete Begegnung, die in meinem Leben eine einschneidende Bedeutung bekommen hat.
Abends wäre ich so gerne in den Strassen herumgelaufen. Ich hätte gerne den Straßenmusikanten zugehört, mich berieseln lassen von dem Santiago-Ambiente. Es regnete aber viel zu sehr. Morgen fahre ich nach Hause. Ich freue mich auf das, was bevorsteht. Ich freue mich auf die Herausforderungen des Alltages. Ich freue mich auf mein Leben. Unangenehmes gehört dazu, denn schlussendlich bringen sie uns weiter, wenn wir dafür offen sind.
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