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Von Lissabon nach Santiago de Compostela
Tagebucheintrag 03. Juni 2007

Habe heute keine Notizen gemacht. Bin nur gelaufen. Die ganze Zeit gelaufen... fast bis Porto. Es war bewusst. Ich wollte lieber den ganzen Tag laufen und dafür einen ganzen Tag in Porto haben. Als ich an der großen Kirche in Oliveira de Azeméis vorbei gehe, beginnt gerade die Messe. Ich überlege kurz, ob ich weiterlaufen soll. Ich habe noch einen weiten Weg vor mir. Es ist aber Sonntag und man feiert heute das Geheimnis der Heiligen Dreieinigkeit (Vater, Sohn und Heiliger Geist). Ich mahne mich zu Besinnung: Wenn ich dafür nicht Zeit habe, setze ich meine Prioritäten falsch. Schließlich mache ich eine Pilgerwanderung. Die Kirche ist voll. Mit meinem Pilgerstab, meiner Jakobsmuschel und meinen verstaubten Klamotten fühle ich mich ein bisschen heilig. Sollte ich aber nicht. Man hat keinen besonderen Anspruch auf Heiligkeit, nur weil man Pilger ist.

In Grijó, dem Ort vor Gaia, war ich psychisch und physisch ziemlich am Ende. Der Zustand meiner Beine um die Knöchel herum beunruhigte mich. Um Kräfte zu mobilisieren, fing ich an zu beten und stellte mir innerlich vor, dass ich eine Amazone sei. Es half sehr! Als ich meinte, nun endlich bald da sein zu müssen, fragte ich einen Mann, wie weit es noch sei bis Gaia. "Oh... Das ist noch weit!" Er gab mir die schlechteste Antwort, die man einem total erschöpften Wanderer zu dieser Abendstunde geben konnte! Oder vielleicht auch nicht... Seine Antwort (er hatte übrigens keine Ahnung, ob es noch 15 oder 5 Km seien) irritierte mich dermaßen, dass ich auf einmal noch mehr Energie mobilisieren konnte. Es wurde zu einem Wettlauf mit der Sonne. Nicht lange danach, sah ich aber schon die ersten Hochhäuser. Gott sei Dank! Ich schaffte es vor Einbruch der Dunkelheit! So weit war es doch gar nicht, dachte ich freudig. Es war 21.00 Uhr. Es sollte noch eine Stunde vergehen, bis ich an meine Übernachtungsstelle war.

Laut Angabe waren es heute 58 Km. Inbegriffen ist aber nicht die Größe mancher Städte. Es war ein wirklich harter Tag, jedoch auch ein sehr schöner Tag. Eines der Pilgergebote lautet: "Öffne deine Augen gut für die Schönheit der Landschaft und der Kunst!" Das habe ich. Man sieht dabei so vieles, kann sich über so viele Kleinigkeiten freuen und weitet seinen Horizont! Es ist bei weitem nicht alles schön, alles hat aber einen Aspekt, der interessant sein kann.

Morgen früh überquere ich die Brücke.





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Portugal-Post Nr. 39 / 2007





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